Warum BPA frei?
BPA kommt uns nicht in die Dose!
Man darf es durchaus wortwörtlich nehmen: Lebensmittel halten uns am Leben. Dennoch können der Ernährung dienende Erzeugnisse hierzulande mit wenigen Ausnahmen ganz ohne Zulassung in Verkehr gebracht werden. Gleiches gilt für Lebensmittel-Kontaktmaterialien als Fertigerzeugnisse: Lediglich die darin verwandten Substanzen sind zulassungspflichtig und entsprechend auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit hin zu prüfen. Was unterm Strich erlaubt oder gar verboten wird, bleibt dabei im Spannungsfeld zwischen Bedenkenträgern und wirtschaftlichen Profiteuren selten unumstritten.
Substitut für weibliches Sexualhormon
So auch im Fall von Bisphenol A – kurz BPA. Die bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannte chemische Verbindung wurde zunächst als kostengünstiger synthetischer Östrogen-Ersatz verwendet. Erst rund 50 Jahre später kam BPA mit der chemischen Formel C15H16O2 als Ausgangssubstanz für Polycarbonat und Epoxidharz zum Einsatz. Letzteres verhindert u. a. als Innenbeschichtung von Getränke- und Konservendosen deren Korrosion und das gefährliche Ablösen von Metallteilen.
Über Mundschleimhaut in den Körper
Das Problem: BPA kann jeweils durch die Reaktion mit Wasser aus seiner gebundenen Form wieder freigesetzt werden. Bei direktem Kontakt mit Lebensmitteln besteht so die Gefahr, es immerhin in geringen Mengen über die Mundschleimhäute aufzunehmen. Gefährlich ist dies gerade wegen der hormonellen Wirkung. So haben Untersuchungen gezeigt, dass die Chemikalie die Wirkung weiblicher Sexualhormone verstärkt, gleichzeitig die der männlichen wie auch der Schilddrüsenhormone hemmt. Das Umweltbundesamt spricht in diesem Zusammenhang von einer „Massenchemikalie mit unerwünschten Nebenwirkungen“.
Verbraucherschutz lässt auf sich warten
Seit Jahren wird die Bewertung möglicher Gesundheitsrisiken durch BPA kontrovers diskutiert. Die EU hat bereits 2011 aus Gründen des Verbraucherschutzes die Verwendung zur Herstellung von Säuglingsflaschen aus Polycarbonat verboten; dies wurde 2018 allgemein auf Trinkgefäße und Flaschen erweitert. Für alle anderen Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff gilt ein Grenzwert für den Übergang der Chemikalie in das Lebensmittel. Mehr als das wurde mittlerweile BPA von der Europäischen Chemikalienagentur als reproduktionstoxisch eingestuft und als besonders besorgniserregende Substanz nach der EU-Chemikalienverordnung REACH identifiziert.
Bislang hat lediglich Frankreich den BPA-Einsatz in Konservendosen untersagt. Im restlichen Europa muss noch immer der Konsument entscheiden, ob er sich und Familienangehörige gesundheitlichen Risiken wie Fruchtbarkeits- oder Zellwachstumsstörungen aussetzen möchte.